Florian

  • MSc Industrial Engineering and Business
  • Lissabon, Portugal
  • Auslandssemester
  • University of Lisbon
  • Wintersemester 2023/2024
Wie haben Sie sich auf Ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet? Welche praktischen Vorkehrungen haben Sie vor dem Austausch getroffen?

Da dies bereits mein zweiter Auslandsaufenthalt war wusste ich bereits davor auf was ich zu achten habe; generell wie es vor Ort ist bezüglich zahlen, wie es mit Supermärkten und Öffis ausschaut, wo der Campus ist und wie man dort hin gelangt, was es für Freizeitaktivitäten um den Campus/meine Wohnung gibt, welche Fächer auf welchem Campus sind (!) und welche Fächer ich generell wählen sollte etc… Die wichtigsten Vorbereitungen waren eigentlich nur die Wohnung zu finden und mieten und anschließend zu schauen wie die Timeline am Anfang aussieht; wie man den Account schon vor Ankunft erstellt und sein Mailkonto einrichtet, welche WhatsApp/Telegram Gruppen es gibt usw.

Wie wurden Sie von der Gastinstitution begrüßt?

Es gab eine Welcome Week bei der es eine Führung durch den Hauptcampus gab. Was in meinem Fall für Wirtschaftsingenieur jedoch das Problem war, war, dass die Vorlesungen der Wirtschaftsingenieurfächer auf einem anderen Campus sind, welcher ca. eine Stunde mit dem (gratis) Shuttlebus entfernt ist. Für den hätte es zwar auch eine Führung gegeben, jedoch war das alles zeitlich so knapp geplant, dass ich, während diese Führung gewesen wäre bereits eine Vorlesung auf dem Hauptcampus hatte (da 2 von 5 meiner gewählten Fächer nicht von Wirtschaftsingenieur sondern einem anderen Studiengang waren). Jedoch war die Benennung der Gebäude und Lehrsäle am Campus sehr verwirrend und hätte eine bessere Einführung/Erklärung gebraucht.

Wie war das Studium an der Gasthochschule?

Es hat sich viel schneller angefühlt als daheim, da das Semester zusätzlich nochmal in der Mitte „geteilt“ ist und man somit viele Kurse hat, die teilweise nur ein halbes Semester (8 Wochen) gehen aber 6 ECTS haben und in der Zeit dann zwei Gruppenarbeiten sowie zwei Prüfungen verlangen. Organisatorisch war es jetzt auch nix besonderes; es hing jedoch sehr von den einzelnen Professoren ab – teilweise wurden Prüfungen innerhalb weniger Tage verbessert, dafür hat in einer anderen LV das Feedback auf ein paar simple Präsentationen ca. 2 Monate gedauert. Generell hat man gemerkt, dass sie viel Wert auf Gruppenarbeiten legen. Inhaltlich war es abgesehen davon nichts besonderes.

Wie würden Sie das Land, die Kultur und die Freizeitaktivitäten beschreiben, die Sie während Ihres Auslandsaufenthaltes erlebt haben?

Lissabon ist sehr hügelig was im Sommer gut die Kondition testet und generell ist alles viel „kleiner“ und kompakter als andere Großstädte wie Wien – die Straßen sind oft nur einspurig und es gibt unzählige Miniläden (Mini Mercados/Mini Supermärkte aber auch andere Geschäfte) sowie Cafes und Restaurants. Kaffees sind übrigens extrem billig; man bekommt Espressos für zwischen 60c und 1€ wenn man in Restaurants/Cafes ist und ein Milchkaffee kostet oft nur 1,5€. Das Essen in Restaurants ist generell auch billiger als bei uns, jedoch gibt es viele Restaurants die preislich nur auf Touristen/Erasmus-Studenten fokussiert sind, da sie preislich zu teuer für Einheimische sind, für uns jedoch immer noch billiger sind als daheim. Die Menschen sind generell sehr freundlich und man sieht eigentlich das ganze Jahr über Touristen und Erasmus-Studenten. Mit Englisch kommt man sehr gut durch die Stadt, jedoch kann man gelegentlich mit Personen ü50 oder sehr einheimischen Lokalen an die Grenzen stoßen.

Über die Zimmer-/Wohnungssuche und Unterkunft

Mir wurde Uniplaces empfohlen, über die ich im Endeffekt auch meine Wohnung gemietet habe. Ich habe ein Apartment gemietet und nicht nur eine Wohnung in einer WG und kann sagen, dass die Wohnstandards definitiv weit unter unseren Standards liegen und die Wohnungen generell preislich für Erasmus-Studenten gestaltet sind (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Zudem sind viele Wohnungen (außer moderne, renovierte Wohnanlagen) nicht isoliert, haben keine Heizung und die Luftfeuchtigkeit war gefühlt über 100%. Schimmelnde Kleidung war keine Seltenheit (sollte man nicht selber einen Luftentfeuchter/Heizstrahler gekauft haben) und der Rekord in meinem Schlafzimmer waren 9°C tagsüber. Auch sollte man sich die Apartments einige Monate vor Ankunft suchen (entweder über Uniplaces, es gibt aber auch eine WhatsAppgruppe für Lissabon für Wohnungen) und man muss sich unbedingt anschauen, was preislich normal ist, da extrem viele Abzockerpreise verlangen.

Welche finanziellen Vorkehrungen haben Sie getroffen? Wie hoch waren die Lebenserhaltungskosten im Schnitt?

Finanzielle Vorkehrungen per se habe ich nicht getroffen.
Unterkunft hat heruntergerechnet p.P. 800€ gekostet – etwas mehr als meine Freunde, aber dafür hatte ich ein eigenes Apartment. Generell kann man mit ca. 650€ rechnen. Oft muss man hier Kompromisse eingehen – eine Kollegin zahlte 650€ p.m. für 9m² in einer 12er WG.
Verpflegung und Freizeit ist in meinem Fall nicht sehr aussagekräftig, da ich so gut wie nie daheim selbst gekocht habe, kam mit den Urlauben etc. aber auf locker 800€ – 1500€ pro Monat. In der Kantine gibt es ein Mittagsmenü für nur 3€.

Haben Sie Tipps was noch zu beachten ist?

Es gibt so viele WhatsApp-Gruppen für alles mögliche über die man alles erfährt! Gemanaged werden sie über WhatsApp Communities von (ich glaube) „Erasmus Life Lisboa“ Mitarbeitern und haben einige tausend Mitglieder für alles – Second Hand, Wohnungen, Wandern, Surfen, Parties, Pub Crawls, Volleyball, Yoga, Lernen, etc….

Ich glaube ohne diese Gruppen wäre es teilweise ziemlich einsam und fad geworden. Man sollte sich auch unbedingt die ESN und ELL (Erasmus Life Lisboa) Card holen und nach Events von beiden Ausschau halten, da man oft gratis Eintritt für Clubs etc. bekommt. Am Besten wäre es, sich schon schon vor der Ankunft über die WhatsApp-Gruppen zu informieren und ihnen beizutreten, sodass man bei der Ankunft einen „Plan“ hat, da besonders am Anfang sehr viele schreiben um sich kennen zu lernen.

Welche neuen Fähigkeiten und Qualitäten haben Sie erworben?

Portugiesisch habe ich nicht intensiv gelernt, da ich die Zeit, in der der Sprachkurs gewesen wäre, in Freizeitaktivitäten investiert hab oder darin, neue Freunde kennen zu lernen.
Englisch hat sich nicht viel verändert, da ich bereits sehr sicher war, unter anderem weil mein erster Auslandsaufenthalt in den USA war.
Fachlich waren die vielen Gruppenarbeiten etwas neues und man hat aufgrund der vielen Erasmusstudenten gelernt, wie man in internationalen Gruppen arbeitet.
Persönlich entwickelt man sich bei einem Auslandsaufenthalt sehr weiter, da man sehr stark mit anderen Kulturen konfrontiert wird und man dadurch viele neue Sichtweisen aufs Leben bekommt; wie man sich verhält, wie man kommuniziert usw. und besonders wenn man sowas in anderen Kulturen erlebt, wird man manchmal auf persönliche Schwächen aufmerksam, wie man es daheim vermutlich nicht wäre und kann daran arbeiten.

Wie haben sich Ihre Werte und Einstellungen während Ihres Auslandsaufenthaltes verändert?

Durch so viel internationalen Kontakt erlangt man Respekt vor anderen Kulturen mit ihren Werten, wie sie miteinander interagieren oder wie sie generell arbeiten, z.B. in Gruppenarbeiten. Außerdem lernt man sehr gut wie man selbständig arbeiten muss, denn man kommt in einem fremden Land an mit einer fremden Sprache und muss sich im Endeffekt alles erstmal organisieren und managen. Ich merke auch selber, dass man durch solche Auslandsaufenthalte offener wird und es einem leichter fällt, soziale Kontakte zu schließen und mit fremden Leuten zu interagieren.

Was war im Rückblick die größte Herausforderung bei der Vorbereitung auf oder während Ihres Auslandsaufenthaltes?

Eine passende Wohnung zu finden mit gleichzeitig guter Lage, guter öffentlicher Anbindung, relativ guter Ausstattung für gleichzeitig “wenig” Geld hat mir definitiv am meisten Kopfschmerzen bereitet.

Was war Ihre positivste Erfahrung während Ihres Auslandsaufenthaltes?

Die Freundschaften die ich dort geschlossen habe, sind unbezahlbar. Von Anfang an habe ich tolle und nette Menschen kennengelernt und wir haben uns direkt alle gut verstanden und sind so zu 11 durchs komplette Auslandssemester gezogen, sind gemeinsam auf Urlaube gegangen, haben Sport gemacht, waren auf unzähligen Partys usw…

Was wir alles erlebt haben ist so ein Privileg und in Kombination mit den unzähligen Sonnenuntergängen am Strand einfach unbeschreibbar. So eine gute Zeit ist unbezahlbar und dadurch ist es umso schlimmer, wenn das Auslandssemester vorbei ist und man weiß, dass danach vieles anders sein wird und man sich nicht mehr annähernd so oft sehen kann wie davor.