Gastvortrag von Sven Schweiger: Aufwandschätzung bei IT-Projekten

03. März 2023

Der Geschäftsführer des CSS-Software-Teams und FHTW-Alumni gab Einblicke in seine Arbeit.

Sven Schweiger kann auf 27 Jahre Berufserfahrung im IT-Projektgeschäft zurückblicken und kennt daher die hohe Bedeutung einer möglichst akkuraten Aufwandschätzung. Vor allem wenn es um Individualsoftware geht, ist die Aufwandschätzung eine besonders wichtige Komponente und zählt zu den regelmäßigen Aufgaben eines Softwareentwicklungsteams.

Potentielle Klient*innen möchten verständlicherweise möglichst genau vorab wissen, wie viel sie eine individuell angepasste Softwarelösung kosten wird. Bei der Aufwandschätzung müssen beispielsweise Faktoren, wie die optimale Teamgröße und Projektdauer berücksichtigt werden. Auch geht es darum Fehler auf Basis von sogenannten „Human Biases“ zu erkennen und zu vermeiden. Vor allem dann, wenn Klient*innen Projekte zu einem Festpreis angeboten werden, würde eine fehlerhafte Aufwandschätzung zu einem Verlust für den Anbieter führen. In der Praxis ist es daher besonders wichtig, dass Aufwandschätzung so realistisch und praxisnahe wie möglich sind um am Ende des Tages dafür zu sorgen, dass Projekte erfolgreich und letztendlich auch profitabel sind.

Bei der Aufwandschätzung bzw. der Abschätzung von Projektkosten, Projektdauer und optimaler Teamgröße ist es daher ganz besonders wichtig Voreingenommenheit zu vermeiden. In der Praxis funktionieren fast 80% der Aufwandschätzungen leider so, dass sich ein*e IT-Projektmanager*in Rat bei einem/einer Senior Software Developer*in holt. Hier ist man vor einer voreingenommenen Meinung nicht geschützt.

Daher ist es ratsam vor allem bei großen, komplexen Individualsoftware-Projekten auf eine Aufwandschätzung mittels Schätzverfahren durch ein Team bestehend aus Expert*innen zu setzen, um von deren Fachwissen und Berufserfahrung zu profitieren und so eine möglichst gute Aufwandschätzung zu erhalten. Die Aufwandschätzung eines komplexen Projekts kann durchaus Workshop-Charakter haben und viele Arbeitsstunden eines Expert*innen-Teams in Anspruch nehmen. Im besten Fall soll das Schätz-Team dabei auch gleich anhand des Project Backlogs die User Stories und Aufgaben priorisieren und alle Beteiligten „an Bord holen“, indem sie unterschiedliches Fachwissen und verschiedene Blickwinkel einbringen. Um die Aufwandschätzung abzuschließen, erstellt das Team eine Zusammenfassung der vorangegangenen Diskussion, um Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Der entstandene Zeit- u. Kostenaufwand für die Aufwandschätzung lohnt sich aber am Ende des Tages, wenn die Aufwandschätzung zu einer reibungsloseren Abwicklung des Projekts beiträgt und vorab auch gleich identifizierte, potenzielle Risiken erkannt und behandelt werden. Dennoch schützt auch die beste Aufwandschätzung nicht vor unvorhergesehenen Vorkommnissen und die Teammitglieder brauchen die nötigen Fähigkeiten und Kompetenzen, um gemeinsam Lösungen für herausfordernde Situationen zu finden.

Vor allem dann, wenn es um individuell angepasste Softwarelösungen geht, ist es empfehlenswert auf zwei oder drei verschiedene Methoden zur Aufwandschätzung zurückzugreifen und die Ergebnisse zu vergleichen, um potentiellen Klient*innen schlussendlich das richtige Angebot machen zu können. Vor allem bei Individualsoftware ist es aufgrund der Neuheit auch nicht möglich sich als Ganzes auf vorangegangene Projekte zu verlassen und basierend auf einem Pauschalvergleich ein neues Projekt anzubieten.

Der so wichtige Praxisbezug in der Lehre an der FH Technikum Wien ist auch bei diesem Vortrag nicht zu kurz gekommen. Um die Ausführungen zu verdeutlichen, mussten die Studierenden in kleinen Gruppen den Inhalt einer großen Box mit einzeln verpackten Schokoriegeln schätzen. Nach kurzer Diskussion in großer Runde zeigte die Auflösung der Aufgabe, dass man wirklich immer auf das Unerwartete vorbereitet sein muss und auch die beste Schätzung kein Erfolgsgarant ist (auch das T-Shirt von Sven Schweiger hat dabei eine Rolle gespielt 🙂 ).

Die verbleibende Unterrichtszeit wurde für eine kurze Q&A Session mit Sven Schweiger genutzt. So konnten die Studierenden einen Einblick in den Arbeitsalltag in einem mittelständischen, agilen Softwareunternehmen gewinnen. Die Corona-Pandemie hat auch in im CSS Software-Team zu einer weiteren Flexibilisierung der Mitarbeiter*innen beigetragen.

In den vergangenen Jahren haben immer wieder Studierende aus dem Bachelorstudiengang Informatik ihr Pflichtpraktikum im CSS Software-Team gemacht und manche haben nach erfolgreichem Studienabschluss ihre Karriere in diesem Unternehmen gestartet.

Sven Schweiger hat im Rahmen seines Vortrages immer wieder betont, wie schnelllebig die IT-Branche ist und wie essenziell es daher ist, dass Studierende und Absolvent*innen über ein fundiertes Grundlagenwissen verfügen, aber auch in der Lage sind sich selbst schnell neue Kenntnisse anzueignen.

Das Curriculum des Bachelorstudiengangs Informatik ist so aufgebaut, dass die Studierenden zum einen umfassendes Wissen über Grundlagen aufbauen und zum anderen Kompetenzen entwickeln, um sich selbstsicher schnell neues Wissen aneignen zu können.