Start me up Tuesday: Was ist ein Quartier und ab wann gilt dieses als nachhaltig?

16. Februar 2024

Im Vorfeld des nächsten Start me up Tuesday erklärt David Sengl nachhaltige Quartiere, als Zusammenschluss an unterschiedlichen Gebäuden, welche lokale Ressourcen möglichst energieeffizient nutzen.

Bei unserem nächsten Start me up Tuesday am 27. Februar 2024 geht es im kleinen Festsaal der FH Technikum Wien um Sustainable Districts. Forscher, Lehrende, Startups und Großunternehmen präsentieren ihre visionären Konzepte und wegweisenden Ideen für nachhaltige Stadtviertel. Wir haben im Vorfeld mit David Sengl gesprochen, der an der FH Technikum Wien in Lehre & Forschung im Kompetenzfeld Climate-Fit Buildings and Districts tätig ist.

Was versteht man unter „Sustainable Districts“, also „nachhaltige Quartiere“? Was ist ein Quartier und ab wann gilt dieses als nachhaltig?
David Sengl: Nachhaltige Quartiere sind ein Zusammenschluss aus unterschiedlichen Gebäuden, welche lokale Ressourcen möglichst energieeffizient nutzen, und gleichzeitig den Menschen, welche sich darin aufhalten die Möglichkeit bieten deren Bedürfnisse auf platzsparendem Raum zu erfüllen, ohne zukünftige Generationen in deren Lebensweise zu beeinträchtigen.

Quartiere kann man in unterschiedlichster Ausführung vorfinden. So gibt es Quartiere, welche vorrangig für einen Zweck wie beispielsweise Wohnflächen oder Büroflächen genutzt werden. Jedoch gibt es auch Quartiere welche eine gemischte Form abdecken und in welchen sich sowohl Büros als auch Wohnungen und Geschäfte befinden. Letzteres hat den Vorteil, dass Menschen welche in oder nahe den Quartieren wohnen, die Infrastrukturen dieser nutzen können und sich Synergien zwischen den unterschiedlichen Nutzungsformen bilden.

Die Frage, ab wann ein Quartier nachhaltig ist, lässt sich nur schwer beantworten. Gerade weil Nachhaltigkeit verschiedenste Aspekte wie Treibhausgasemissionen, soziale Integration, Biodiversität und Wirtschaftlichkeit einbezieht und Quartiere in unterschiedlichster Form bestehen, kann hierfür keine quantitative Aussage getroffen werden. Das Quartier muss sich eher an die lokalen Gegebenheiten einpassen und es den Menschen ermöglichen den Energiebedarf durch lokal verfügbare Ressourcen zu decken und die sozialen Bedürfnisse der jeweiligen Personen anzubieten. Trotzdem ist es wichtig, die gesellschaftlichen Ziele zur Klimaneutralität auch quantitativ bewertbar zu machen und auf konkrete Handlungsfelder und Ziele herunterzubrechen. Hier bietet die Quartiersbetrachtung die Möglichkeit, durch konkrete Vorgaben für Energie- und Treibhausgasbilanzen sowie Grünraumgestaltung früh wichtige Maßnahmen einzuleiten und einen Handlungsspielraum zu eröffnen, der sonst „einfach zugepflastert“ wird. Hierfür werden bei nachhaltigen Quartieren mehrere Ansätze, wie beispielsweise das Plus-Energie-Quartier, die 15-Minuten-Stadt oder der speziell für die Seestadt entwickelte aspern klimafit Gebäudestandard verfolgt, um auf all diese Aspekte möglichst einzugehen. Da es sich jedoch um ein sehr komplexes Thema handelt befinden sich Projekte dahingehend noch in der Entwicklungsphase und es wird nach einer allgemeinen Definition für nachhaltige Quartiere geforscht.

David-Sengl-FHTW
DI David Sengl

Lecturer/Researcher

+43 1 333 40 77 - 5113david.sengl@technikum-wien.at

Die Nachfrage nach urbanem Wohnraum steigt stetig, welche Rolle kann der Einsatz (neuer) Technologien dabei spielen, um auf begrenztem Raum möglichst nachhaltig zu leben?
David Sengl: Gerade im Raum Wien, wo die Nachfrage immer größer wird und die lokalen Ressourcen nur begrenzt zur Verfügung stehen, ist die Wohnraumschaffung eine der größten Hürden. Um den Wohnraum möglichst zu erweitern, ist es aus Sicht der Nachhaltigkeit nicht zielführend, die Randbezirke auszubauen, sondern auch leerstehende Gebäude zu revitalisieren und Altbauten zu sanieren und nachzuverdichten.

Natürlich lassen sich Neubauten nicht vollständig vermeiden, da diese oft energieeffizienter sind als Sanierungen und die Quartiersgestaltung flexibler ist, was ebenfalls zur Nachhaltigkeit beiträgt. Dennoch helfen Revitalisierungen und Sanierungen dabei graue Energie, welche beim Bauprozess von Gebäuden entsteht, zu reduzieren und diese durch aktuelle Technologien möglichst nachhaltig zu gestalten.

So können beispielsweise kompakte Bohrgeräte dazu beitragen, in bestehende Innenhöfe zu gelangen und Tiefensonden für die Nutzung von Erdwärme herzustellen. Auch dient der Einsatz von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen durch die flexible Nutzung der Energie zur Reduktion des Energiebedarfes, indem Strom in Wärme umgewandelt wird und in Zeiten von Überproduktion der PV Wärme für den Wohnraum schafft. Somit können gerade Quartiere mit unterschiedlichen Nutzungen ihren Energiebedarf stark reduzieren, indem die Energie dort wo sie benötigt wird genutzt werden kann. Beispielsweise kann der PV-Überschuss zur Mittagszeit, in welcher sich ein Großteil der Bevölkerung im Büro befindet, in diesen genutzt werden und die Abwärme der Geschäftsflächen in den Morgen- oder Abendstunden für die Beheizung der Wohnflächen herangezogen werden. Somit kann ein Zusammenschluss an Gebäudetypen nicht nur Platzsparend, sondern auch Energieeffizient genutzt werden.

Ist es ausreichend Gebäude mit aktuellen Technologien auszustatten um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten?
David Sengl: Nein. Technologien tragen einen wesentlichen Teil zur Energieeffizienz von Gebäuden bei, jedoch hilft die beste Technologie nichts, wenn diese nicht verwendet wird. Das Nutzer*innenverhalten sowie die Akzeptanz der Menschen spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Erneuerbare Energien stellen sogenannte volatile Energiequellen dar. Das bedeutet, dass die Energieproduktion entsprechend der Umwelt stark schwankt. Beispielsweise produziert eine Photovoltaikanlage nur bei solarer Strahlung Energie und die Nutzer*innen können diese auch nur zu dieser Zeit nutzen. Sollte der Energiebedarf des Quartieres also hauptsächlich außerhalb dieser Produktionszeiten stattfinden, hat die Photovoltaik nur einen sehr geringen Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Akzeptieren die Nutzer*innen jedoch die Volatilität und ändern teilweise ihre Gewohnheiten, sodass sie beispielsweise den Geschirrspüler Programmieren um zu Mittag die Energie zu verbrauchen, hat die PV einen wesentlich höheren Einfluss. Die gilt auch für größere Verbraucher wie Wärmepumpen. Wenn die Bewohner*innen geringe Temperaturabsenkungen in der Nacht akzeptieren, kann eine Synergie zwischen der Erzeugung durch die PV sowie den Verbrauch durch die Wärmepumpe optimal genutzt werden und ein Gebäude nachhaltig zu betreiben und dennoch den gewohnten Komfortstandard zu erhalten.

Also nein, Technologie alleine reicht nicht für eine nachhaltige Zukunft, es müssen auch immer die Menschen welche diese verwenden mitbedacht werden.


Mehr dazu beim Event, wo neben David Sengl weitere Expert*innen wie Judith Klamert-Schmid (FH Technikum Wien, Departmentleiterin Industrial Engineering) Tanja Spennlingwimmer (AWS, Geschäftsfeldleitung Entrepreneurship / IP / Deep Technology) und Johann Kucsera, (Schneider Electric) vertreten sein werden.