Von der Elektronischen Gesundheitsakte zum Europäischen Datenraum

28. Juni 2024
Wie können wir Daten in Gesundheit und anderen Bereichen effektiv und gleichzeitig sicher nutzen? Ein Interview mit Vizerektor Stefan Sauermann.
Dass Daten wertvoll sein können, ist heute Allgemeinwissen, ebenso, dass es hochsensible Daten gibt – beides nicht zuletzt im Gesundheitsbereich, wo Stefan Sauermann, Vizerektor und Leiter des Studiengangs Medical Engineering & eHealth sich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt.
Herr Sauermann, Sie und die FH Technikum Wien waren maßgeblich an der Einführung der Elektronischen Gesundheitsakte in Österreich beteiligt.
Stefan Sauermann: Schon als in den 2000ern die Grundarchitektur konzipiert wurde, später dann bei ersten technischen Spezifikationen. Wir haben etwa die Laborbefunde und den Terminologieserver der Gesundheitsakte mitgestaltet und ab da auch Forschungsprojekte im eHealth-Bereich durchgeführt.
ELGA wird nicht immer im positiven Zusammenhang diskutiert. Ist es eine Erfolgsgeschichte?
Unser Modell ist technisch und logistisch wirklich Weltspitze und auch erweiterbar. Wir haben gesehen, dass wir in der Pandemie innerhalb weniger Wochen auf kontaktlose Medikamentenversorgung umstellen konnten. Also insofern kann man schon zeigen, dass das System sehr stark ist. Schwächen gibt es beim flächendeckenden Anschluss an die Quellsysteme. Wir haben bestimmte Daten, wie etwa Covid-Testdaten oder Laborbefunde oder Befunde niedergelassener Ärzt*innen nur zu einem verschwindend geringen Anteil in der Gesundheitsakte.
Ein Projekt, dass hier Verbesserungen bringen soll, ist Linked Care.
Die mobile Pflege und Betreuung wird immer wichtiger und aufwendiger. Das von der FFG-geförderte Projekt Linked Care vereinfacht dafür den Informationsfluss und vernetzt alle Beteiligten miteinander. Die Pflegeforschung im Projekt hat z.B. ergeben, dass der Weg, auf dem Patient*innen, die nicht mehr mobil sind, ihre Rezepte und in der Folge die Medikamente erhalten, stark verbesserungswürdig ist. Ziel von LinkedCare ist, dass Personen in Gesundheitsberufen mit den Betroffenen selbst, mit An- und Zugehörigen, Ärzt*innen, Therapeut*innen und Apotheken sicher und niederschwellig direkt mit optimaler IT-Unterstützung zusammenarbeiten. Die Bedienung soll einfach sein und Zeit sparen.

Stefan Sauermann
Die Datengier von Konzernen ist bekannt. Auch der Staat soll mitunter nicht alles über alle wissen. Warum sind die Gesundheitsdaten der Österreicher*innen sicher?
Die Nutzung der Daten in ELGA ist gesetzlich strengstens geregelt und ausschließlich für die Behandlung der Patient*innen vorgesehen. Es ist nicht vorgesehen, dass hier Daten einfach so etwa an die Akteure der Privatwirtschaft weitergegeben werden.
Ein sicherer Datenraum also. Etwas Ähnliches soll derzeit im großen Stil auf EU-Ebene entstehen – auch hier ist die FHTW beteiligt.
Das EU-Projekt IDERHA baut gemeinsam mit großen Pharmaunternehmen, Spitälern, Patient*innen und Partnern aus der Wissenschaft einen der ersten paneuropäischen Gesundheitsdatenräume auf, in enger Abstimmung mit der Umsetzung des kürzlich beschlossenen Europäischen Gesundheitsdatenraums. IDERHA wird die Früherkennung von Lungenkrebs verbessern, und die Lebensqualität von Menschen mit Lungenkrebserfahrung steigern. In diesen Projekten stehen endlich die Anwender*innen im Mittelpunkt, für die sehr konkreter Nutzen entsteht. Wir können helfen, zumindest einige der Fragen im Alltag zu beantworten. Und diese Datenräume werden in Zukunft nicht nur auf den Gesundheitsbereich beschränkt sein, ein anderer Einsatzbereich mit großen Potenzial ist etwa die Energiewirtschaft, Stichwort: dezentrale Energiegemeinschaften.
Wie fließen diese Themen im Studiengang Medical Engineering & eHealth ein?
Zum einen erkunden unsere Studierenden Technologien für die Medizin. Beatmungsgeräte, Monitore für Vitalparameter, Radiologie- und viele andere Geräte werden neu entwickelt und laufend verbessert. Andererseits gilt es die daraus verfügbaren Daten bestmöglich zu nutzen. Wir bereiten Schätze des Wissens auf, um die Fragen der Menschen im Alltag zu beantworten. Studierende konzipieren mit medizinischem Wissen Produktideen, und berücksichtigen dabei die Bedürfnisse der Nutzer*innen. Der Studiengang bietet die nötigen Methoden aus Technik, Naturwissenschaften und IT. Die Absolvent*innen sind mit ethischen Fragen vertraut, mit Datenschutz und mit der Regulatorik der Medizinprodukte. Viele übernehmen rasch leitende Rollen bei Herstellern von Medizinprodukten oder in Einrichtungen des Gesundheitswesens und setzen dabei die im Studium erworbenen Management Kenntnisse ein. Je nach Interesse ergeben sich sehr vielfältige Karrierewege, in Startups, großen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen.
Finanzierung und Haftungsausschluss: Dieses Projekt wird durch die Innovative Health Initiative Joint Undertaking (JU) im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 101112135 unterstützt. JU wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe der Europäischen Union und die Biowissenschaftsindustrie unterstützt, vertreten durch COCIR, EFPIA / Vaccines Europe, EuropaBio und MedTech Europe.
IDERHA wird von der Europäischen Union, den privaten Mitglieder*innen und den Partner*innen von IHI JU finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich jene der Autor*innen und spiegeln nicht notwendigerweise die der oben genannten Parteien wider. Keine der vorgenannten Parteien kann für sie verantwortlich gemacht werden.

Für zu Hause gepflegte und begleitete Menschen, Ihre Angehörigen und das Pflege-personal kann IKT Support deutlichen Verbesserungen bewirken. Um diese Potentiale zu heben, entwickelt Linked Care (LICA) IT Systeme, die Pfleger*innen, Betroffene, Angehörige, Therapeut*innen entlasten. Innovative Funktionen steigern das Wohlbe-finden und die Gesundheit Betroffener. In Vorprojekten wie 24h-QuAALity, iToilet, ISA, SignAAL und Co-Train hat das Konsortium IKT-Bausteine zur Unterstützung älterer Menschen mit kognitiven Einschränkungen erfolgreich entwickelt und erprobt. Im Projekt dienen diese Erfahrungen mit bestehenden IT Systemen und mit ELGA als Aus-gangsbasis, um eine durchgehende Informationsversorgung in der mobilen Pflege und Betreuung zu ermöglichen.
